Die Zukunft der Dampfmaschine

Die Steam Dev Days haben begonnen, weshalb seit einigen Stunden hier und da Neuigkeiten über die Zukunft der PC-Spiele Plattform Steam zu finden sind. Valve hat ja bereits seit einiger Zeit große Pläne. Der PC soll sich endlich von Windows emanzipieren, Steam soll in Zukunft nicht nur einfach auf Linux laufen (das tut es bereits und es gibt sogar einige Spiele, die unter Steam/Linux angeboten werden), nein, mit Steam OS befindet sich sogar ein ganzes Linux-basiertes Betriebssystem in der Entwicklung. Parallel dazu werden zunehmend auch Software-Tools auf Steam angeboten wie etwa der Audioeditor Sonar X3 , das Malprogram Black Ink etc. Bislang richtet sich das aber alles eher an Designinteressierte, Office-Programme oder Kommunikationstools gibt es noch nicht, mal sehen ob so was noch kommt wenn Steam OS erst mal exklusiv auf Rechnern läuft.

Und weil es ja langweilig wäre, PC-Gaming einfach nur mit einem neuen Betriebssystem komplett umzukrempeln, hat man bei Valve offenbar gleich noch beschlossen, zum Generalangriff auf die Konsolenwelt zu blasen. PCs waren schon vom Aussehen her bisher eher nichts, was man im Wohnzimmer stehen haben wollte, auf der Couch vor dem Fernseher benutzt man außerdem lieber einen Controller als Maus und Tastatur und überhaupt. Was liegt da näher als den PC einfach in eine Konsole umzubauen und nebenbei noch so richtig schön Hardware-Knete einzufahren? Seit Tagen schiessen Ankündigungen für “Steam Machines” von allerlei Anbietern (mittlerweile auch Alienware)  aus dem Boden, wobei es sich letztlich immer um hübsch designte PC’s in allen Größen und Preisklassen handelt. Nur die Sache mit dem Controller hat sich Valve nicht aus der Hand nehmen lassen. Der Steam Controller, der allgemein hin gerne mit dem Aussehen einer Eule verglichen wird, bringt anstelle von Control-Sticks zwei Touch-Pad ähnliche kreisrunde Flächen, die mit einer sehr hohen Genauigkeit und einer Art eingebautem Force-Feedback für den Daumen ein ganz tolles neues Kontrollgefühl ermöglichen sollen und so den Maus-Tastatur-verwöhnten Gamer endlich auch zum Controller hinlocken sollen. Ich frage mich ja manchmal ob es ein geheimes Anti-Maus Konsortium gibt, so eine Verschwöung aus Industriemagnaten und Designern, die sich mit Roben an verdunkelten Tischen treffen und beraten, wie sie endlich die Maus töten können. Wie dem auch sei, mit dem Steam-Controller könnte das im Spielebereich fast gelingen wenn man den enthusiastischen Berichten glaubt, die allerdings auch allesamt von diesem geheimen Konsortium gekauft sein dürften.
Heute gab es jedenfalls erst mal eine Ankündigung, dass das zusätzliche Touchscreen in der Mitte den Weg des kreativen Prozesses in den Papierkorb genommen hat. Außerdem wurden die Controllbuttons neu angeordnet und erinnern jetzt noch mehr an klassische Game-controller als bisher. Wie eine eule sieht der aktuelle Steam-Controller aber immer noch aus (Bild via engadget.com):

Während Windows es trotz allerlei Ankündigungen also nicht wirklich geschafft hat, den Sprung in die Wohnzimmer zu machen, könnte das Valve nun durchaus gelingen. Aber ist das wirklich die Zukunft, von der PC Gamer träumen? Der große Vorteil von PC Spielen war bislang, dass man immer das zocken konnte, was man wollte. Fast alles lief auf Windows, solange es sich nicht um Konsolen-exklusive Titel handelte, und Microsoft scherte sich einen Dreck drum. Und das war gut so. Klar, es konnte immer passieren, dass man mal Probleme hatte, ein Spiel auf dem eigenen, individuell eingerichteten PC zum Laufen zu kriegen. Aber dafür konnte man dann eben auch hemmungslos an der Software herumbasteln, tweaken, customizieren und so weiter. Mit der Steam Machine und Steam OS gehen wir auf jeden Fall wieder einen Schritt weiter in die hermetisch abgeriegelte Welt der Konsolen. Der PC hört auf, der ultimative Alleskönner zu sein und wird letztlich zu einem System unter vielen. Eigentlich ist die Steam Machine so gesehen kein PC mehr.

Klar, man kann argumentieren, dass das alles nicht so dramatisch ist. Man kann Valve auch nicht wirklich vorwerfen, PC-Gaming eingeschränkt zu haben. Im Gegenteil. Dank Steam war es möglich, dass eine Unzahl von Indie-Developern ihre Titel bequem und direkt an den Kunden bringen und teure Vertriebswege umgehen konnten. Kein Pressen von Gold-Versionen, keine teuren DVD-Verkäufe, kein aufwändiges Marketing außer einem geschickt gemachten Trailer mehr. Mit dem Greenlight-Programm ermöglichte es Valve Entwicklern sogar, Konzepte auf ihre Markttauglichkeit noch lange vor ihrer Fertigstellung direkt am Steam-Publikum zu testen und die Steam-Community machte begeistert mit. Dank Steam musste man sich auch auf dem PC keine Gedanken mehr um die Aktualität seines Spiels machen, Patches und DLCs werden automatisch installiert, ja, Steam bietet sogar eine Funktion, Spiele bis zu einem gewissen Grad zu reparieren, wenn sich irgendwo im Cache ein Bug eingeschlichen hat. Darüber hinaus bietet Steam ein einheitliches Digital Rights Management System. Außerhalb von Steam hatten immer härtere DRM-Protokolle Spiele bisweilen unspielbar gemacht, die Industrie lieferte sich eine hart Schlacht bisweilen selbst mit denen, die Ihr gekauftes Spiel einfach nur auf einem zweiten Rechner parallel installieren wollten. Mit Steam loggt man sich nun einfach ein und fertig.  Man kann wohl mit Recht behaupten, dass sich der PC ohne Steam oder ein vergleichbares Programm als Spieleplattform nicht so erfolgreich hätte halten können, wie er es die letzten Jahre getan hat.

Allerdings ist es nicht übertrieben, die Motive von Valve kritisch zu hinterfragen. Angesichts der anfänglich großen Skepsis der PC-Community musste Valve schon immer besonderen Wert darauf legen, bei den Nutzern positiv gesehen zu werden. Von Anfang an betrieb Steam bei seinen legendären Sales ein Preisdumping, mit dem andere Portale bis heute nur schwer konkurrieren können. Greenlight, der “Community”-Bereich und insbesondere die Steam Workshops sollen dem Nutzer zeigen, dass auch trotz einheitlicher Plattform die Individualität des Nutzers im Mittelpunkt stehen soll. Hat der Nutzer dann aber irgendein Problem mit seiner neuen Software, hört es mit Valves Freundlichkeit schnell auf. Für den Support ist grundsätzlich der Hersteller des Spiels verantwortlich. Zeigt der sich aber von der kaltschnäuzigen Sorte und erklärt auf dem Nutzerforum, dass der Support für ein neu erworbenes Spiel eingestellt wurde, obwohl oder weil es unspielbar ist, scheint es Valve komplett egal zu sein, dass man ja durchaus auch selber Gebühren für den Verkauf eingestrichen hat. Unzählige Softwareleichen werden nach wie vor zum Verkauf angeboten, jeder Steam-Nutzer ist gut beraten, vor einem Kauf sorgfältig das Forum des betr. Spiels zu durchforsten. Nicht selten wird hier gewarnt, dass Programmierer ihre Werke aufgegeben haben obwohl sie erst halb fertig sind, zentrale Spielfeatures fehlen oder das Spiel auf zahlreichen PCs schlicht nicht läuft. Für solche Fälle wartet man seit Ewigkeiten auf die Möglichkeiten, gekaufte Spiele zurückgeben zu können. Dieses Feature gibt es bei itunes und google-play und sogar bei EA’s Steam-Konkurrent Origin längst. Steam hält sich diesbezüglich nobel zurück und das obwohl man seit Jahren Platzhirsch ist. Kundenfreundlich ist das nicht. Die Befürchtung ist also nicht ganz von der Hand zu weisen, dass Valve ordentlich die Zügel anzieht, sobald man Maus und Tastatur abgeschafft hat und mit seiner fancy Steam Machine vor dem Wohnzimmer-Bildschirm sitzt.

Interessanterweise hat Gabe Newell heute auch angekündigt, dass das Greenlight-Programm bei Valve schon wieder auf der Abschussliste steht. “Not because its not useful, but because we’re evolving.” Außerdem ließ er zeitgleich durchblicken, dass Valve plane, mit “exklusiven Features oder Apps das Erlebnis auf Steam Machines einzigartig zu machen”. Was das konkret bedeutet, weiß niemand. Vielleicht haben wirklich diejenigen Recht, die am Bild des schönen Schmetterlings Steam schon immer gezweifelt haben. Möglicherweise war Valve immer schon eine fette gefräßige Raupe, die sich nur bunte Flügel angeklebt hat um die Fressfeinde zu verjagen.

Möglicherweise ist das eine sehr negative Sicht der Dinge. Sicherlich ist es vor allem eine Warnung vor zu viel Euphorie. Aber immerhin reden wir hier von der Firma, die uns einmal versprochen hat, die Geschichte von Half-Life in überteuerten Episoden weiterzuerzählen. Und uns dann am Ende von HL2EP2 mit einem der übelsten Cliffhanger der Spielegeschichte buchstäblich einfach so mitten in der Luft hängen ließ. Völlig ohne wirtschaftliche Not. Einfach nur, weil sie es konnten. Diese Schweine…