Oops, she did it again!

Auch wenn die diesjährige E3 zumindest aus der Ferne betrachtet eher langweilig war, hat die Diskussion um die Wegrationalisierung weiblicher Protagonisten in Assassins Creed Unity nicht gerade hohe Wellen geschlagen. Ein Grund dafür könnte sein, dass man zumindest bei Ubisoft offenbar aufgegeben hat, mit Videospielen eine andere Zielgruppe als Männer anzusprechen. Das Argument: zu teuer, zu aufwändig, keine Zeit. Zu Deutsch: Wenn wir Spiele auf Frauen ausrichten wollten, müssten wir ein anderes Produkt produzieren.

Müssten Spiele wirklich so fundamental anders sein um auch weibliche Perspektiven darzustellen und dadurch vielleicht sogar Frauen als Zielgruppe anzusprechen? Nach dem Konsum von Anita Sarkeesians neuestem Video wird ziemlich deutlich, dass Ubisoft und Konsorten deutlich mehr tun müssten, als einfach ein weibliches Polygon-Model ins Programm einzubauen. Denn wie heißt es nicht so schön? “This is a man’s world”, und auf Computerspiele trifft das einfach mal zu tausend Prozent zu.

Anita Sarkeesian ist ja nun nicht neu in ihrem Genre. Mit Youtube-discussion-battle-hits wie Ms. Male Character und Damsel in Distress hat sie uns ja bereits vor Augen geführt, wie eindimensional männlich die Welt der Computerspiele mittlerweile geworden ist immer schon war. Nun hat sie mit Women as Background Decoration einen neuen Beitrag aus ihrer Reihe “Feminist Frequency” geliefert und der hat es wieder mal in sich. Eine halbe Stunde lang müssen wir Szenen betrachten, in denen meistens Prostituierte NPCS missbraucht, ermordet, im Minigame gevögelt, oder einfach nur durch den Spieler angegafft werden. Dazu gibt es immer wieder Einschnitte, in denen Sarkeesian den inhaltlichen Bezug zu Martha Nussbaums Objektifizierungstheorie herstellt und so fast einwandfrei vor Augen führt, wie sehr Spiele darauf ausgerichtet sind, sich bei sexgierigen heterosexuellen Macho-Männern anzubiedern, denen man als Frau vermutlich nicht im Freibad begegnen möchte. Fast einfandfrei, weil sie dann teilweise doch auch Szenen als Belegmaterial heranzieht, die aus Computerspielen wie “Saints Row” stammen, das zumindest theoretisch ja eigentlich genau den von ihr beschriebenen Tropus ironisch bricht und dadurch ebenso hinterfragt wie sie. Man darf sich auch fragen, ob so ein Video unbedingt 30 Minuten dauern muss. Klar, für eine Diskursanalyse wie sie hier betrieben wird, muss man sich schon einmal durch größere Mengen Materials arbeiten, das gehört bei einer quasi wissenschaftlichen Arbeit nun mal dazu. Außerdem ist es ja durchaus ihr Ziel, ihr Argument auf einen breiten empirischen Unterboden zu stellen und damit zu zeigen, dass es eben nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist, die sie da beschreibt und kritisiert. Dennoch, ein wenig mehr Straffung hätte diesem Werk sicher ganz gut getan, zumal hier dann doch auch mehr als einmal Argumente wiederholt werden, die man schon zehn Minuten früher kapiert hat.

Letztlich stellt sich wieder einmal die Frage, ob man so was eigentlich braucht. Werden hier nicht wieder mal Videospiele an den Pranger gestellt für eine Kulturpraxis, die anderswo genauso betrieben wird? Sarkeesian hat kein Problem, Beispiele für sexuell aufgeladene Werbung für Computerspiele zu finden, das mag aber daran liegen, dass es kaum Werbung gibt, die nicht sexuell aufgeladen ist. In den von ihr besonders kritisierten Rennspielen wird eine Verknüpfung ziwschen Autos und heißen Kurven reproduziert, die nun wirklich nicht originär aus der Spielekultur stammt. Und dass ein GTA ohne Prostituierte und Strip Clubs an jeder Strassenecke wohl kaum so sehr das Gefühl von Gangsta-Rap und Mafiakriminalität wiedergeben würde sollte auch klar sein.

Ich denke aber, dass es falsch wäre, Sarkeesian einfach als eine weitere Gegnerin der Gamingkultur zu sehen (Tatsächlich hat sie ja sogar 2014 den Game Developers Choice Award erhalten, der ihre Verdienste für die Spielebranche anerkennt). Die Probleme, die sie anspricht, lösen sich ja nicht dadurch auf, dass man sie an anderer Stelle ebenso findet. Ihre Arbeit zeigt mit einem scharfen Fokus auf einen spezifischen Aspekt der Spielkultur, wie sehr hier kulturelle Praktiken reproduziert werden, die das Spielen letztlich für einer Mehrzahl von Frauen ebenso uninteressant bis abstossend machen wie Autorennen, Stripclubs und ähnliches. Und das ist eigentlich schade, denn 50% der potentiellen Konsumenten sind nun mal Frauen und nicht alle finden es faszinierend, einmal in die Rolle eines brutalen Machos zu schlüpfen. Das trifft übrigens auch auf die Männer zu und damit komme ich zum letzten Gedanken meines etwas ausführlichen Posts heute: Sarkeesian hat ja nun schon so einiges über Frauenbilder in Games produziert aber die Frage, ob wirklich alle Männer eiskalte sexgewaltgeile Arschlöcher sind hat sie bislang ausgelassen. Vielleicht stellt sich für eine Feministin diese Frage auch gar nicht. Mir aber geht es schon lange auf die Nerven, dass im Mainstream des Computerspieledesigns offenbar ein Bild von mir als männlichem Spieler als triebhaftes Sextier existiert, dass ich so nicht unbedingt von mir selber haben will. Nichts gegen Sex und Erotik im Spiel, aber am Ende bin ich halt auch einfach gelangweilt von der immer gleichen Frage zwischen gut und böse, die da lautet “Frauen missbrauchen” oder “Frauen retten”.

UPDATE: Wie sich zeigt, hat Kardeesian mittlerweile genug Bekanntheit erlangt, dass über ihre Videos auch in Mainstream-Magazinen wie Gamepro.de berichtet wird. Leider muss man sagen, dass sich die zuständigen Journalisten nicht zu fein sind, mit einem Sexismus aus der untersten Schublade auf ihr Video zu antworten, indem einfach mal eine sogenannte “Babes-Gallery” direkt neben ihr Video verlinkt wird. Dazu noch der scheinheilige Hinweis, hier könne man sich den ganzen Sexismus ja mal ansehen. Sorry, Gamepro.de, da muss ich kotzen.

UPDATE 2: Die Babes-Gallerie wurde mittlerweile kommentarlos entfernt, zweifellos aufgrund dieses kritischen Artikels. 🙂

 

gamepro