Weg mit der Gebühr

Die Weltwirtschaft liegt am Boden, täglich geht eine weitere Bank pleite und Otto Normalverbraucher stürmt in Panik die Banken um sein Geld abzuheben und in sicheres Gold umzutauschen. Wer die Nachrichten sieht, liest oder hört, erfährt dieser Tage natürlich auch, dass es gefährlich und unsinnig ist, jetzt in Gold zu investieren. Aber wer redet denn auch davon, in reales Gold zu investieren? Wäre es nicht viel klüger, in virtuelles Gold auf einem WOW Server zu investieren, gefarmt von Sklaven in einem chinesischen Sweatshop? Die Computerspielbranche jedenfalls zeigt sich scheinbar gänzlich unbeeindruckt von der Wirtschaftskrise, bei Blizzard jedenfalls hat man offensichtlich volles Vertrauen in das prall gefüllte Geldsäckel des online zockenden Speckgürtels der Gesellschaft. Wie Gamasutra heute berichtet, plant man dort jedenfalls die Einführung bezahlter Individualisierungsinhalte für den Avatar, also schicke Hütchen, niedliche Haustierchen, lustige Näschen und wuschelige Öhrchen und was einem da sonst noch so einfällt (vielleicht sogar ein schnuckliges Häuschen? War ja auch mal irgendwann geplant).
Zählen wir also mal zusammen, was so ein Charakter bei WOW insgesamt kostet:
Angenommen, man ist seit dem Erscheinen dabei, dann hat man für das Grundspiel seinerzeit ca. 40€ geblecht. Verrückte können dafür auch heute noch bis zu 350€ blechen, aber gehen wir mal davon aus, dass man das dann doch nicht will. Jedenfalls gibt es bereits ein erstes Add-on, ohne dass man natürlich absolut uncool dasteht, also noch mal 30€. Das nächste Add-on kommt dieser Tage raus, dafür zahlt man bei Amazon derzeit 34.- wenn man es vorbestellt. Sicher, Hauptspiel und Addons werden mit der Zeit billiger, gehen wir aber mal von einem Fan aus, der immer alles will und zwar sofort, muss ja nicht gleich die Sammleredition sein (dürfte auf den Standard WoW Kunden zutreffen). Jedenfalls hat der Typ dann insgesamt 100 Euro geblecht um überhaupt spielen zu können, was dann aber auch noch kostet, und zwar monatlich. Und zwar zwischen 15 und 13 Euro, je nachdem wie viele Monate man auf einmal bezahlt. Gehen wir also von 13 Monaten aus, und zwar von einem Typen, der seit vier Jahren zockt, aber auch mal ein Jahr Pause insgesamt gemacht hat. Sind 468 Euro. Damit hätte dann eine einzelne Person in drei Jahren weit über 500 Euro in ein einziges Spiel gesteckt. Ohne hier irgendwelche Hardwarekäufe, geschweige denn Essen oder Langzeitstudiengebühren hinzuzurechnen. Und wie wird die arme Sau jetzt belohnt? Mit der Möglichkeit, NOCH mehr Kohle in Blizzards Rachen zu werfen, weil eins ist ja klar, man zockt nicht drei Jahre lang ein Spiel, nur um dann wie jeder dumme Hans auszusehen. Da muss schon noch ein Rosa Schleifchen auf die Rüstung oder was auch immer um die eigene Originalität zu betonen.
Es stellt sich nur die Frage, warum Blizzard so etwas macht. Für mich kommen letztendlich nur zwei Antworten in Betracht. Die eine Möglichkeit wäre, dass der Durchschnittsgamer noch fetter finanziell bestückt ist, als ich bislang dachte. In diesem Fall frage ich mich ernsthaft, wie weit man die Süchtlinge noch abzocken kann, bevor sie kollabieren, sprich aus finanziellen Gründen massenhaft den Account kündigen.
Die andere Möglichkeit halte ich indes für wesentlich interessanter, weil irgendwie optimistischer und vielleicht sogar realistischer. Hat Blizzard am Ende mittelfristig vor, auf ein Gratis-System umzusteigen? Einer der größten WoW Konkurrenten war lange Zeit GuildWars, zwar musste man auch hier die Basistitel kaufen, aber konnte dann gratis spielen soviel man wollte. Mit der Zeit erschienen immer mehr und immer erfolgreichere Titel, zwar zunächst hauptsächlich im asiatischen Raum (Silkroad), aber zunehmend auch in der westlichen Welt.
Neuere Produkte, die in unseren Breiten am kostenlosen Horizont aufziehen, wären z.B. Battlefield Heroes oder Runes of Magic, nur um zwei aktuelle Titel zu nennen.
Diese neuen Gratistitel dürften langfristig den Druck auf WoW erhöhen und man sollte auch nicht vergessen, dass der Platzhirsch nun schon einige Jährchen auf dem Buckel hat. Grafisch und konzeptionell gerät Blizzard von allen Seiten unter Beschuss, schon jetzt sieht man sich genötigt, mit dem Lich King auch die Grafik aufzubessern. Wie lange macht die Spielengine so etwas mit? Wie genial wäre es aber nun, wenn man jetzt einfach plötzlich auf ein gebührenfreies System umstellen würde? Um volle Server bräuchte man sich jedenfalls erstmal keine Gedanken mehr zu machen. Die Konkurrenz um Warhammer und Konsorten müsste mitziehen, um konkurrenzfähig zu bleiben, und mit der Umstellung der Leitmedien in diesem Bereich könnten wir schließlich die Gebührensysteme endlich zu einem Relikt der Vergangenheit erklären.
Ich vermute, dass Blizzard sich noch nicht ganz auf dem Weg zur zweiten Variante befindet, aber dass das neue Bezahlcontentsystem deutlich macht, dass sie zumindest den Druck der Gratiskonkurrenz spüren. Natürlich werden sie aber nicht die Gebühren abschaffen, solange kein sehr deutlicher Abfall bei den Abonnenten zu verzeichnen ist. Sie werden zweigleisig fahren, bis das eine Gleis nichts mehr hergibt und dann umstellen. Für den Onlinezocker, der keine Gebühr mehr zahlen will bedeutet das: WoW kündigen und warten, bis es gratis ist. Bis dahin gibt es genug anderen Müll im Netz, mit dem man sich die Zeit vetreiben kann (wenn einem nicht doch zwischenzeitlich einfällt, dass man eigentlich was besseres zu tun hat).
Wie auch immer, ich schieße hier jetzt einfach mal ins Blaue und prophezeie, dass der Fall WoW zeigt, dass das Gebührensystem mittel- bis langfristig keine Zukunft hat.
Es sei denn, man würde die Gebühren endlich mal benutzen um neue, innovative Spielkonzepte zu finanzieren, aber wir wollen mal auf dem Teppich bleiben, gelle…